Badische Zeitung: Schulden und ein überzogenes Konto als Motiv

Die Jugendkammer verurteilt einen 19-Jährigen wegen seines Überfalls auf eine Autobahnraststätte zu einer Bewährungsstrafe.

LAHR/OFFENBURG. Genauso gut hätte der Täter auch seine Visitenkarte am Tatort zurücklassen können: Nach einem Überfall auf die Autobahnraststätte Mahlberg Ost haben die Polizei Schuhprofile und Reifenspuren des Fluchtfahrrads im Neuschnee geradewegs zu einer Wohnung geführt, wo der verdutzte Räuber ein Geständnis ablegte. Gestern hat die 8. Große Jugendkammer beim Landgericht den 19-jährigen Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zudem muss er 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Am 27. November des vergangenen Jahres, nachts gegen 2.30 Uhr, machte sich der 19-Jährige mit dem Fahrrad seines Vaters auf den Weg zum späteren Tatort. Zuvor hatte er sich mit der Schreckschusspistole seines Bruders bewaffnet, die einer echten Schusswaffe täuschend ähnlich sieht. Nachdem er das Fahrrad an der Rückwand der Tankstelle abgestellt hatte, zog er ein Küchentuch vor das Gesicht und vergewisserte sich, dass die Kassiererin allein war. Maskiert und mit der Pistole in der Hand stürmte er in den Kassenraum. Mit vorgehaltener Waffe forderte er die 28-jährige Mitarbeiterin auf, ihm alles Geld aus der Kasse und Zigaretten herauszugeben.

Die verängstigte Frau übergab ihm 1275 Euro und fünf Schachten Zigaretten, die er in seinem Rucksack verstaute. Danach rief er „sorry“ und ergriff die Flucht. Dabei blieb ihm freilich verborgen, dass er im frisch gefallenen Schnee Spuren hinterließ. So brauchte die von der Kassiererin verständigte Polizei den Spuren nur noch zu folgen.

Nach anfänglichem Bestreiten legte der 19-Jährige ein Geständnis ab. Vor dem Landgericht zeigte der bisher unbescholtene Heranwachsende glaubhafte Reue. Motiv für den Überfall sei seine Geldnot gewesen. Warum er auf diese Idee gekommen sei, konnte er selbst nicht erklären. „Ich hatte über 2000 Euro Schulden, aus einer Handyrechnung, und weil ich meinem Arbeitgeber Geld entwendet hatte. Das musste ich wieder zurückzahlen.“ Außerdem sei auch sein Konto überzogen gewesen. Den Überfall habe er ausgeführt, „wie man es halt aus dem Fernsehen so kennt.“

Von der Beute fehlte nur eine Zigarette

Zu Hause habe er das Geld gezählt und den Rucksack und die Beute auf dem Dachboden versteckt. Auf Frage des Vorsitzenden Richters Heinz Walter erklärte er, dass er so ungefähr mit einer Beute von 1000 Euro gerechnet habe. Von seiner Beute hatte er nur eine Zigarette geraucht.

Bei dem Opfer hatte er sich bereits schriftlich entschuldigt und um Verzeihung gebeten. Die Entschuldigung wiederholte er auch im Gerichtssaal. Die Kassiererin bestätigte den Tatverlauf, wie er auch in der Anklage und vom Angeklagten beschrieben worden war. Schwerwiegende körperliche oder psychische Folgen habe der Überfall nicht gehabt.

Der Ermittlungsbeamte schilderte, dass das Fluchtfahrrad des Täters im Neuschnee deutliche Spuren bis zu seiner Haustür gezeichnet hatte. Auch die Profilspuren der Schuhe passten. Wegen der Nachtzeit und des geringen Verkehrs seien alle Spuren noch gut zu erkennen und weder durch weiteren Schneefall noch andere Spuren verdeckt gewesen.

In Übereinstimmung mit den Anträgen der Jugendgerichtshilfe sowie von Staatsanwalt Friedrich Schütter und des Verteidigers wandte das Gericht bei Annahme einer Reifeverzögerung des Heranwachsenden das Jugendstrafrecht an. Nach Erwachsenenstrafrecht wäre eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren fällig gewesen.