Es war einmal vor 22 Jahren: ein vollstreckungsrechtliches Märchen

Es war einmal… so fängt der wirklich kuriose und nicht minder tragische Fall eines mazedonischen Mandanten an. Es war einmal ein Urteil des Landgerichts Stuttgart im Jahre 1990, mit welchem mein Mandant zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden war. Einen Teil der Strafe, nämlich ein wenig mehr als die Hälfte, saß er bis 1993 ab. Dann wurde er ausgewiesen und abgeschoben. So weit eigentlich nicht berichtenswert.

Im Jahre 2008 änderte er seinen Nachnamen – nach eigenen Angaben aufgrund einer weit verbreiteten Tradition in seiner Heimat, wonach der Erstgeborene den Namen eines verehrten Familienmitglieds annimmt. Er hieß dann so, wie sein Großvater. Im Jahre 2009 heiratete er eine deutsche Staatsbürgerin und stellte in der Folgezeit einen Antrag, zum Zwecke der Familienzusammenführung in Deutschland Wohnsitz nehmen zu dürfen. Nach einiger Zeit bekam er einen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. Er meldete ein Gewerbe an und betätigte sich fortan als Handwerker – sehr erfolgreich übrigens. Den Unterhalt für sich, sine Frau und seine Söhne verdiente er spielend.

In einer Zufallskontrolle wurde dann festgestellt, daß ein Vollstreckungshaftbefehl aus dem Jahre 1993 existierte, wonach der damals Verurteilte wieder in Haft zu nehmen wäre, sollte er wieder bundesrepublikanischen Boden betreten. Und so kam es jetzt.

Die zuständige Strafvollstreckungskammer lehnte unseren Antrag auf Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Halbzeit ab. Offensichtlich liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor – so jedenfalls das Landgericht. Nun wird das OLG entscheiden müssen, ob nach Ablauf von 23 Jahren seit der Tat und einer Entwicklung des Mandanten vom Saulus zum Paulus vielleicht doch besondere Umstände vorliegen könnten. Dann müßte nur noch die Ausweisung abgewendet werden.

Ach ja: Falls das alles doch noch klappen sollte, wird dann das deutsche Finanzamt auf sämtliche Forderungen verzichten müssen und der Sozialträger einspringen, da der Mandant in absehbarer Zeit zahlungsunfähig sein wird. Die schwerkranke Frau wird auch von alleine wieder gesund und die Kinder sind ja schon 15 – da kann man sich alleine helfen.

Ein Stück aus dem Tollhaus? Nein! Realität, traurige Realität.