Bewährung für das Opfer der Russenmafia
Ein Russlanddeutscher wird im Gefängnis Offenburg fast zu Tode geprügelt. Weil er den Hergang der Tat negiert, stand er wegen Strafvereitelung vor Gericht. Nun erhielt er eine Bewährungsstrafe. Ein Prozess vor dem Amtsgericht hat gezeigt, welche Zustände unter russlanddeutschen Häftlingen im Gefängnis Offenburg herrschen.
Mit einem weisen Urteil hat Amtsrichter Wolfgang Knopf am Mittwoch sowohl dem Recht Genüge getan, als auch einen schon genug gestraften Angeklagten so weit wie möglich geschont: Er sprach den 29-jährigen Russlanddeutschen zwar wegen versuchter Strafvereitelung schuldig, verwarnte ihn aber nur und setzte eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen à zehn Euro zur Bewährung für ein Jahr aus. Der junge Mann war 2009 in seiner Zelle im Offenburger Gefängnis von drei ebenfalls russlanddeutschen Mithäftlingen so brutal verprügelt worden, dass ihm die Milz entfernt werden musste und er nur aufgrund von zwei Notoperationen binnen weniger Stunden noch am Leben ist.
Dass das Opfer nun dennoch als Angeklagter vor Gericht stand, während ein Verfahren gegen seine drei brutalen Peiniger noch in der Schwebe hängt, lag offenkundig an der Furcht des 29-Jährigen vor weiteren Repressalien. Um nicht erneut Opfer von „mafiösen Strukturen“ (Knopf) innerhalb und außerhalb des Offenburger Knasts zu werden, hatte er steif und fest behauptet, sich die Verletzungen bei einem Sturz aus dem Doppelstockbett seiner Zelle zugezogen zu haben. Dass es sich dabei um eine reine Schutzbehauptung handelte, wurde in der Beweisaufnahme vor Gericht mehr als deutlich.
Fakt ist aus Sicht von Richter Knopf, dass es unter den Russlanddeutschen eine eigene Rechtsordnung und „Strukturen gibt, die man gerne unter den Tisch kehren will, aber nicht mehr kann.“ Dazu zähle neben dem Schweigegebot das ausgeprägte Hierarchiesystem auch im Gefängnis: „Der Angeklagte hat Befehle Höherrangiger missachtet und wurde deshalb bestraft.“ Als Einzelrichter sei er häufig damit konfrontiert „dass in gewissen Kreisen die Uhren anders laufen.“
Staatsanwalt fordert klares Signal
Auch für Staatsanwalt Martin Seifert ist erwiesen, dass es im Gefängnis eine „Parallelordnung“ unter Russlanddeutschen und eine Mauer des Schweigens wie die Omertà bei der italienischen Mafia gibt. Dennoch sei auch eine Justizvollzugsanstalt „kein rechtsfreier Raum“, weshalb ein klares Signal gegen jegliche Unterstützung der dort herrschenden „Parallelordnung“ gesetzt werden müsse. Seifert beantragte eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen, die aber gegenüber der in einem Strafbefehl an den Angeklagten ursprünglich genannten Höhe von 20 Euro halbiert werden könne.
Verteidiger kritisiert Staatsanwaltschaft
Klar auf Freispruch plädierte Daniel Sprafke in seinem überaus engagierten Plädoyer. Für den Verteidiger zeigt der Fall auch „die Hilfslosigkeit der Strafjustiz im Umgang mit den rechtsfreien Räumen in deutschen Gefängnissen.“ Er monierte nicht nur Fehler der Kripo im Ermittlungsverfahren, für ihn war auch ungeklärt, ob sein Mandant aufgrund der Verletzungen nicht doch unter Gedächtnisstörungen gelitten habe. „Es konnte nicht aufgeklärt werden, ob eine strafbare Handlung vorliegt.“ Er erwäge, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen. Nicht zuletzt war Sprafke der Staatsanwaltschaft „schwere taktische Fehler“ vor. Durch die Anklage wegen versuchter Strafvereitelung habe sie seinem Mandaten als Hauptzeugen im noch ausstehenden Verfahren gegen das Schlägertrio ein Aussageverweigerungsrecht beschert.